Der EU AI Act: Handlungsempfehlung für kleine und mittelständische Unternehmen

Die Europäische Union hat mit dem EU AI Act eine umfassende Regulierung für Künstliche Intelligenz (KI) eingeführt, die seit dem 2. Februar 2025 in Kraft getreten ist. Ziel ist es, den sicheren und ethischen Einsatz von KI-Systemen zu gewährleisten und gleichzeitig Innovationen zu fördern. Für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) bedeutet dies, sich spätestens jetzt mit den neuen Vorgaben auseinanderzusetzen, um Compliance sicherzustellen und Wettbewerbsvorteile zu nutzen.

Warum der EU AI Act eingeführt wurde

Mit der zunehmenden Verbreitung von KI in verschiedenen Branchen sah die EU die Notwendigkeit, einheitliche Standards zu schaffen, die sowohl Risiken minimieren als auch Chancen maximieren. Der EU AI Act klassifiziert KI-Systeme basierend auf ihrem Risikopotenzial und legt entsprechende Anforderungen fest. Dies soll nicht nur den Verbraucherschutz stärken, sondern auch das Vertrauen in KI-Technologien erhöhen.

Schritt-für-Schritt-Anleitung für KMU

  1. Bestandsaufnahme der eingesetzten KI-Systeme

Erstellen Sie eine detaillierte Liste aller KI-Anwendungen in Ihrem Unternehmen. Berücksichtigen Sie dabei sowohl intern entwickelte als auch zugekaufte Systeme oder einzelne Bestandteile einer Software.

  1. Risikobewertung durchführen

Analysieren Sie jedes KI-System hinsichtlich seines Risikoprofils. Der EU AI Act unterscheidet zwischen unzulässigem, hohem, geringem und minimalem Risiko. Beispielsweise gelten KI-Systeme im Gesundheitswesen oder in der Personalrekrutierung oft als hochriskant.

  1. Technische und organisatorische Maßnahmen umsetzen

Für hochriskante Systeme sind spezifische Maßnahmen erforderlich. Für beinahe alle gilt:
Transparenz: Stellen Sie sicher, dass die Funktionsweise des KI-Systems nachvollziehbar ist.
Datenqualität: Nutzen Sie hochwertige und repräsentative Datensätze, um Verzerrungen zu vermeiden.
Dokumentation: Erstellen Sie umfassende technische Unterlagen, die die Entwicklung und den Einsatz des Systems beschreiben.

  1. Konformitätsbewertung und Zertifizierung

Lassen Sie Ihre hochriskanten KI-Systeme einer Konformitätsbewertung unterziehen. Dies kann intern oder durch externe Stellen erfolgen. Planen Sie hierfür ausreichend Zeit ein und bereiten Sie alle notwendigen Dokumente vor.

  1. Mitarbeiterschulung

Sensibilisieren Sie Ihre Mitarbeiter für die Anforderungen des EU AI Acts. Inhalte sollten sein, wie KI-Anwendungen genutzt werden können, welche Daten geeignet sind und welche Vorgaben das Unternehmen stellt. Zusätzlich empfiehlt es sich dringend, ein Bewusstsein für ethische und rechtliche Aspekte im Umgang mit KI zu schaffen.

Praktische Tipps für die Umsetzung

Externe Beratung: Ziehen Sie bei Bedarf Experten hinzu, die Sie bei der Risikobewertung und Zertifizierung unterstützen.
Das Große Ganze: Betrachten Sie nicht nur die technischen Systeme und die Datenqualität, sondern nehmen Sie sich Zeit, Ihre Einsatzgebiete und möglichen Auswirkungen der KI in Referenz zu Ihren Werten zu hinterfragen.
Kontinuierliches Monitoring: Überwachen Sie regelmäßig die Leistung Ihrer KI-Systeme und passen Sie diese bei Bedarf an neue Anforderungen an.

Diskussion des EU AI Acts

Die EU KI Verordnung ist zweifellos ein bedeutender Schritt in Richtung einer sicheren und ethisch verantwortungsvollen Nutzung von KI. Besonders in sensiblen Bereichen wie Medizin, Justiz oder HR sind klare Leitlinien notwendig. Doch während der AI Act mehr Vertrauen schaffen soll, bringt er gleichzeitig neue Herausforderungen mit sich – besonders für KMU.
Während große Unternehmen Compliance-Abteilungen unterhalten, fehlt kleineren Betrieben oft das Know-how und die Ressourcen, um die Anforderungen korrekt umzusetzen. Eine fehlende praxisnahe Unterstützung könnte dazu führen, dass Unternehmen KI meiden, anstatt sie verantwortungsvoll zu nutzen. Eine mögliche Lösung wäre ein abgestuftes Modell, das kleinere Unternehmen mit pragmatischen Anforderungen entlastet, um ihre Innovationsfähigkeit nicht auszubremsen.
Um zu vermeiden, dass Unternehmen KI-Entwicklung ins Ausland verlagern, wo weniger strenge Vorschriften gelten, könnte eine international abgestimmte Strategie einen Wettbewerbsnachteil Deutschlands verhindern.
Ein weiteres kritisches Thema ist die dynamische Natur von KI. Der EU AI Act kategorisiert Systeme nach einem starren Risikomodell – doch KI entwickelt sich ständig weiter. Eine Technologie, die heute als sicher gilt, könnte morgen risikobehaftet sein. Ein adaptives Modell mit regelmäßigen Neubewertung der Kategorien wäre hier sinnvoll.
Zudem bleibt die Haftungsfrage offen: Wer ist verantwortlich, wenn eine (externe) KI-Lösung Fehler macht? Hier braucht es klare Regelungen, um Unternehmen nicht unnötig zu verunsichern; zum Beispiel eine definierte Haftungsteilung zwischen Herstellern und Anwendern, kombiniert mit verpflichtenden Transparenzstandards für externe Anbieter.
Schließlich bleiben auch Themen wie die Umweltbelastung durch energieintensive KI-Modelle oder die Umschulungsmöglichkeiten für durch KI wegfallende und neu entstehende Berufsbilder kaum behandelt. Hier wäre eine Erweiterung des EU AI Acts nötig, um die soziale und ökologische Nachhaltigkeit von KI-Technologien sicherzustellen.

Ausblick: Die Zukunft der KI in der EU und weltweit

Während die EU mit dem AI Act eine Vorreiterrolle in der KI-Regulierung einnimmt, verfolgen andere Länder unterschiedliche, agile und experimentellere Ansätze. Die USA setzen stärker auf Selbstregulierung, während China eigene Standards entwickelt. Zukünftig wird es entscheidend sein, internationale Kooperationen zu fördern und gemeinsame Standards zu etablieren, um den globalen Einsatz von KI sicher und effizient zu gestalten.

Fazit

Die EU KI Verordnung stellt KMU vor neue Herausforderungen, bietet jedoch auch die Chance, durch transparente und die Bedürfnisse der Individuen achtende KI-Anwendungen das Vertrauen von Kunden und Partnern zu stärken. Eine proaktive Auseinandersetzung mit den Anforderungen und eine sorgfältige Implementierung der Maßnahmen sind der Schlüssel zum Erfolg in einer zunehmend KI-geprägten Welt.

 

* Risiko-Kategorien

  1. Unzulässiges Risiko („Unacceptable Risk“): Diese KI-Systeme sind verboten, da sie eine Bedrohung für Sicherheit oder Grundrechte darstellen, z.B. Social Scoring (z. B. staatliche Bewertungssysteme für Bürger) oder Echtzeit-Gesichtserkennung im öffentlichen Raum (mit wenigen Ausnahmen wie Terrorabwehr)
  2. Hohes Risiko („High Risk“): KI-Systeme, die erheblichen Einfluss auf Sicherheit oder grundlegende Rechte haben, unterliegen strengen Anforderungen, z.B. KI in der Personalrekrutierung (automatisierte Bewerberauswahl) oder Kritische Infrastrukturen (z. B. KI-gesteuerte Stromnetze). Die Anforderungen: Transparenz, Risikobewertung, menschliche Aufsicht, technische Dokumentation
  3. Geringes Risiko („Limited Risk“): KI-Systeme mit moderatem Risiko unterliegen gewissen Transparenzpflichten, aber weniger strengen Auflagen, z.B. müssen Chatbots Nutzer darüber informieren, dass sie mit einer KI interagieren.
  4. Minimales Risiko („Minimal Risk“): Diese KI-Anwendungen sind weitgehend unreguliert, z.B. Empfehlungssysteme für Musik oder Filme.